Eifersucht

2. Kapitel (aus “Schmach”)

Eifersucht oder Übersehsucht - das ist hier die Frage

Eifersucht möchte besonders ein fundamentales Recht bei einem anderen Menschen begrenzen: dessen Recht auf sich selbst. Betrachten wir zuerst die biologische Basis dieses Rechts auf sich selbst:

Die geglückte Begegnung von Oozyte und Spermium (auch “Befruchtung” genannt) führt zur Entstehung eines Menschen. Ihm ist dadurch unmittelbar das Recht auf das Widerfahrnis von “leben” (1) geschenkt. Nach Vollendung der 2.Reifeteilung ist das Selbst des Menschen geworden. Es wahrt in sich die Möglichkeiten zur somatischen Entwicklung im Hinblick auf das Wachstum und die Fähigkeit zur Einnistung. Ab dem 21.Tag nach der geglückten Begegnung von Oozyte und Spermium hat sich der Kreislauf geschlossen, der Herzschlag setzt ein, das Selbst hat Autonomie erlangt. Das Recht auf sich selbst, als logische Folge des Rechts auf das Widerfahrnis von “leben”, bildet den Raum für die Autonomie jedes Menschen.

In der Eifersucht liegt stets der Gedanke verborgen, das Verhalten eines anderen Menschen sei bloß in dessen Besitz, rechtmäßiger Eigentümer sei jedoch der eifersüchtige Mensch selbst, weshalb er auch darüber bestimmen dürfe. Betrachten wir nun den rechtlichen Aspekt des Rechts auf Eigentum.

Seßhafte Kulturen haben meist in ihren geschriebenen wie auch ungeschriebenen Gesetzen das Recht auf Eigentum zu Lasten des Rechts auf Arbeit einseitig betont, wobei Eigentümer, gelegentlich auch Eigentümerinnen, einzelne oder viele Personen sein können. Die Skala reicht vom Feudalismus bis zur Deklarierung von Volkseigentum. Eigentum verleiht weitergehende Rechte und fordert in unterschiedlichem Umfang auch Pflichten. Es kann stets genau bezeichnet und abgegrenzt werden. Dafür wurden in den Sprachen die entsprechenden besitzanzeigenden Fürwörter entwickelt.

Arbeit hat sowohl mit der Fähigkeit, sich selbst Frucht zu sein, als auch mit Gemeinschaft zu tun. Die Fähigkeit, sich selbst Frucht zu sein, bedeutet z.B., für sich selbst sorgen zu dürfen und zu sollen, für sich selbst einstehen zu können, die Folgen des eigenen Verhaltens auf sich nehmen zu müssen als logische Folge der eigenen Autonomie. Uns sind nur wenige demokratische Staaten bekannt (**), die in ihren Verfassungen das Recht auf Arbeit als Grundrecht formuliert haben, während überall Ansprüche auf Versorgung erarbeitet oder gewährt werden können und das Recht auf Eigentum nicht nur für Privilegierte gilt.

Die Begriffe Gemeinschaft und Eigentum spielen bei Eheschließungen eine wichtige Rolle. Eheschließungen werden staatlich sanktioniert, bringen Regelungen von Eigentumsverhältnissen mit sich und haben Rechte und Pflichten im Gefolge. Ehescheidungen werden z.B. von deutschen Gerichten “im Namen des Volkes” als Urteile verkündet. In der deutschen Sprache werden allerdings nicht nur eheliche Beziehungen mit besitzanzeigenden Fürwörtern gekennzeichnet. Nach dem germanischen Vorbild des “fulltrui” - Glaubens kann noch heute auch eine religiöse Beziehung zu einer Gottheit mit einem Possessivpronomen ausgedrückt werden (“mein Gott”).

Im Evangelischen Kirchenlexikon, Band 1, 2.Aufl., 1961 (Artikel “Germanen”, Sp.1523) schreibt Helmut Lother: “Von einem Eingottglauben kann keine Rede sein, wenn auch später jeder G.(ermane) in seinem fulltrui seinen von ihm besonders verehrten Gott besaß; denn die Bevorzugung des einen schloß die Anerkennung anderer Götter nicht aus. Dieses Freundgottverhältnis wurde gelöst, wenn der Gott seine Treue brach. Dann vertraute man evtl. nur noch auf die eigene Macht und Kraft” (das Motto: hilf dir selbst, dann ...), “kam also zu einem praktischen Atheismus, einer in den Sagas häufig belegten Erscheinung der Wikingerzeit.”

Das Recht auf sich selbst findet sich in unserem Grundgesetz in einigen Artikeln wieder (Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, Glaubensfreiheit, freie Berufswahl, freie Wahl des Wohnsitzes u.ä.), die Wahrnehmung desselben kann jedoch nach freiwilliger Übereinkunft in partnerschaftlichen Beziehungen eingeschränkt werden. Diese Einschränkungen unterliegen soziokulturellen Bedingungen.

Nach diesen Vorbemerkungen nun zu unserem eigentlichen Thema: Eifersucht erfüllt nach herrschender Meinung den Tatbestand des unangemessenen Versuchs der Besitzstandswahrung und der Regelung von Eigentumsverhältnissen nach subjektiver Willkür. In gesteigerter Form ohne Realitätsbezug wird sie als pathologisch bezeichnet, gilt als “seelische Grausamkeit” und deshalb als gesellschaftlich anerkannter Scheidungsgrund. Bereits in der nicht-pathologischen Form der Eifersucht betrachtet der eifersüchtige Mensch seine partnerschaftliche Beziehung unter dem Aspekt, daß die bzw. der andere Kontakte zu anderen Personen auf eine, dem oder der Eifersüchtigen erlaubte Form reduziert. Der eifersüchtige Mensch meint, die Existenz der Beziehung im Sinne der eigenen Anschauung zu brauchen und erwartet vom Gegenüber die Anpassung an diese Anschauung. Im Konfliktfall gesellt sich zu dieser Erwartungshaltung ein Vorausurteil, als handele es sich beim Tun des oder der anderen um einen aggressiven Akt.

Claas B. (die Namen wurden geändert) beschrieb sein Erleben: “Ich habe das Gefühl der Eifersucht z.B., wenn meine Frau bei Gesprächen oder auch beim Tanzen sich so verhält, daß sie offenbar einen anderen Mann sexuell reizvoller findet. Ihre Sprüche dazu sind dann voll daneben. Sie meint dann, dieser Typ sei feinfühliger, aufmerksamer, würde sie mehr anerkennen und loben. Und dann kommt dann noch, wir würden zu wenig unternehmen und zuwenig unterwegs sein. Ich denk' dann, sie will mich aus der Reserve locken. Es muß doch etwas Interessantes dagewesen sein, sonst wären wir ja nicht zusammen. Was ist nun mit dieser gemeinsamen Basis? Dann fang' ich an zu vergleichen. Ich frage mich dann: Was machen die anderen anders? Gehen die mehr ins Kino oder ins Theater, verreisen die mehr? Die Verlustangst beutelt mich ganz schön.”

Viktor H. äußerte sich dagegen so: “Ich denke sofort, ich bin sowieso uninteressanter, und dann kriege ich zu hören, von dem anderen ginge irgend etwas aus, was mir fehle. Dann fange ich irgendwann an, den anderen Mann zu beobachten und ihn später zu imitieren, um dann selber wieder die Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich will sie schließlich nicht verlieren”. (cave: wen oder was???)

Diese beiden Berichte machen deutlich, wie sich die Anpassungserwartung mit Vorausurteilen paart und der Blick am Ende bloß auf die Form von Verhalten gerichtet wird. Die beiden Männer drehen sich letztlich nur um sich selbst und wollen über die Form die Anbindung der Frauen an sich und ihre Vorstellungen herstellen. Sie intendieren Gemeinschaft, indem sie ihnen gefälliges Verhalten der Frauen wünschen und dies durch Klärung von Formalien zu erreichen suchen. Dabei werden die Inhalte der fraulichen Mitteilungen nicht zur Kenntnis genommen. Sie sorgen sich um den Erhalt der bestehenden Formen und meinen, durch ihre Beiträge (grübeln bzw. imitieren) in den vorherigen Stand wiedereingesetzt werden zu können. Zur Sorge gesellt sich dann also auch Verlustangst. Diese setzt die “patriarchale Addition” in Gang: “Zweifel” plus “Verwerfung” gleich “Sicherheit”. Das Verhalten der Frauen weckt Angst (die Inhalte werden verworfen), aus der sicheren Position des “Willigen” sollen nun die Frauen nachweisen, wer eigentlich letztlich doch der bessere Mann ist. Auf die Frage: “Was passiert dann bei Ihnen, wenn die Frau sich ganz abwendet?” antwortete Viktor H. kurz und bündig: “Dann ist eh alles zu spät, und ich leide.”

Es mag sein, daß auch Frauen zu dieser Art Eifersucht in der Lage sind. Doch hat die stichprobenartige Befragung von Frauen eine völlig andere Erlebnisweise erbracht, die jedoch mit dem gleichen Begriff bezeichnet worden ist. Übereinstimmend haben sie davon berichtet, daß mehrere Hinweise sozusagen nötig waren, um sie “eifersüchtig” werden zu lassen. Dazu sind genannt worden: Häufige Anrufe; zufällige Begegnungen, über die nur lückenhaft erzählt worden ist; eine bestimmte Art von Blicken, die sich wiederholten. Dabei wurde deutlich, daß die entsprechenden Männer diese Hinweise mehr oder weniger auch lanciert haben, sozusagen als “Spurenleger”. Eine Frau erzählte dieses Beispiel: Ihr Mann hatte einen Brief unübersehbar auf eine Tasche gelegt. Sie hat dies als stumme Aufforderung angesehen, das Briefgeheimnis nicht achten zu sollen. “Freundliche” Hinweise von Dritten hatten eher den Charakter des peinlichen Berührtseins. Eine Frau erzählte: “Es war mir sehr peinlich. Ich bin einfach weggegangen. Es waren ja andere dabei. Und ich habe mich gefragt, was die jetzt über mich denken, daß mein Mann sowas mit mir macht.”

Gemeinsam bewegte die befragten Frauen die Sorge darum, daß ihr Partner eine andere Frau netter finden könnte und deshalb sie verlassen. Sie schließen von der Form der Informationen auf einen von den Männern jedoch verrätselten Inhalt. Sie sichten die Formen und suchen dann eine Antwort auf ihre Sorgen, die sie in ihrer Annahme des Augenblicks begrenzen und immer mehr aus dem inneren Gleichgewicht bringen, sobald sie mehr darüber nachdenken. Sie unterstellen unmittelbar, sie seien austauschbar. Im Unterschied zu den befragten Männern war deren Grundeinstellung, die wir als Anpassungserwartung bezeichnet haben, bei Frauen nicht erkennbar. Im Unterschied zu Männern übersehen Frauen offensichtlich ihre innere Befindlichkeit und ihr subjektives Empfinden, sobald die Informationen als solche wahrgenommen wurden, die zu dieser “Eifersucht” Anlaß geben. Erst im Verlauf weiterer Gedanken entsteht die Sorge, die auf der Fiktion aufbaut, daß ein Mensch austauschbar sein könnte.

Diese Fiktion entsteht bei Frauen in Verwundungserfahrungen der frühen Kindheit, die durch den Vater verursacht worden sind. Die ihnen widerfahrene Schmach, wegen ihres “eigentlich minderwertigen” Geschlechts (siehe vorherigen Artikel) reduziert ihre Selbstvorstellung ausschließlich auf in der Familie erwünschtes oder einigermaßen akzeptiertes Verhalten, das der Form nach übernommen oder als erlaubt beibehalten worden ist. Diese Reduzierung identifiziert eine Tochter sofort mit ihrem Verhalten, sie erscheint austauschbar wie ihr Verhalten und muß dankbar sein, überhaupt einigermaßen akzeptiert zu werden - und sei es in der Rolle als Widerspenstige. Die Internalisierung der Schmach und der Fiktion der Austauschbarkeit bietet die Erklärung dafür, daß die befragten Frauen beides kritiklos für ihre weiteren Gedankengänge voraussetzen. Das Widerfahrnis des Sachverhaltes, als Persönlichkeit, als Individuum in ihrer Einzigartigkeit übersehen worden zu sein, ist der entscheidende Unterschied zwischen der männlichen Eifersucht, die auf “Haben” ausgerichtet ist, und diesem weiblichen Phänomen, das von anderen Voraussetzungen ausgeht. Frauen suchen eine formale Anerkennung ihres Wertes, den sie selbst übersehen. Deshalb können wir der Sache nach nicht von Eifersucht sprechen. Analog zu dem Phänomen bei Männern wollen wir deshalb von “Übersehsucht” sprechen.

Frauen erleben die Folgen der “Übersehsucht” geradezu als stimulierendes Element, um sich noch mehr um den Mann zu mühen.

Genannt wurden von allen Frauen die Methoden: sich besonders nützlich machen; die formale Atmosphäre noch gemütlicher gestalten; noch interessierter nachfragen, wie denn der Tag gewesen ist; noch mehr Zeit vor dem Spiegel verbringen, wobei nicht die eigene Sicht auf sich im Blick ist, sondern die Frage, was wohl ihm gefällt; eine Diät durchführen; plötzliche sportliche Aktivitäten entfalten, usw.

Das Absehen von sich selbst, die Verwerfung der Wahrnehmung des Rechts auf sich selbst, entwickelt in der “Übersehsucht” eine ungeheure Produktivität an phantasievollen Einfällen.

Exkurs: Zur Physiologie

Physiologisch kann die Eifersucht über die Addition “Nase” plus “Frontalhirn” (2) gleich “Auge” auf den Begriff gebracht werden. Claas berichtete z.B., daß seine Nase hochaktiv sei bei der Eifersucht und er regelrecht die Atmosphäre “schnuppert”. Die Hinzuschaltung von Vorausurteilen geschieht mit Hilfe von Frontalhirninformationen. Der Effekt dieser Reihung zeigt sich an erhöhter Aktivität der Augen. Viktor berichtete ja sogar von seinem Versuch, über Beobachtungen zu Imitationen zu gelangen. Die nachfolgende Reaktion läßt sich über die Addition “Auge” plus “Frontalhirn” gleich “Ohr” beschreiben. Die visuellen Eindrücke werden wieder mit Frontalhirnimpulsen in ein Verhalten übergeführt, das in scheinbarer Sicherheit auf die den Mann bestätigenden Worte wartet (daß er eben doch der Bessere ist). Der Satz aus dem Munde einer Frau: “Du bist doch der Beste” erleichtert jeden Mann und beläßt ihn im Bisjetzigen.

Die “Übersehsucht” weckt eine Überaktivität des Nebennierenmarks (NNM), die durch eine Überaktivität des TRO unterstützt wird. Dadurch wird das eigene körperliche Empfinden analog frühkindlicher Erfahrung einer Bestrafung erlebt und entsprechend mit der 1.Umdrehung beantwortet. Das wirkt die oben beschriebene Motivation zur Kanalisierung der weiblichen Einfallsfähigkeit. Die Augen sind dann ausreichend beschäftigt, Ausschau zu halten nach allen möglichen Hilfsmitteln. Dabei reagiert die Haut. Die meisten befragten Frauen konnten sich unmittelbar an Hautreaktionen erinnern. Es wurden Trockenheit, erhöhte Sensibilisierung und Pickelbildung benannt. Trockene Haut ist die Wirkung einer Sympathikusüberaktivität (3). Die Weiterentwicklung führt zum Jucken. Pickelbildung: “Fahren mit angezogener Handbremse” (erhöhte Bremswirkung bei gleichzeitigem Durchstarten): parasympathischer Stopp aufgrund der VA-Assoziation beim Empfinden der Weiblichkeit, sympathische Gegensteuerung durch Sorge, hormonelle Gegensteuerung zur nachhaltigen Beruhigung durch männliche Sexualhormone: Verfettung der Haut durch Testosteron, wobei der Fettfilm die Poren verschließt; Weiterentwicklung zur Akne möglich über erhöhtes Streßmilieu mit erhöhter Cortisolausschüttung und damit Entzündungsbereitschaft. Gemeinsam ist diesen Reaktionen eine erhöhte Sympathikusaktivität, die die Sorge stets begleitet.

Schluß-Folgerung

Ein Mann kann aus der Eifersucht aussteigen, indem er sich von seinen bisjetzigen Vorstellungen löst, wirklich hinhört und die Informationen durch die Frau mit ihr ernsthaft und humorvoll diskutiert.

Eine Frau kann aus der Übersehsucht aussteigen, indem sie ihrer Einzigartigkeit gedenkt und ihre Würde wieder in den Blick bekommt durch das Wissen, daß kein Mensch austauschbar ist. Der Mann, der dies als-ob-i-fiziert handhabt, möchte “herr”schen, er kreist narzißtisch um sich selbst und ist nicht wirklich an ihr interessiert.

Das eine wie das andere Aussteigen ist in der Lage, den Raum zu öffnen für den Effekt der Gemeinschaft.

Anmerkungen

** Einige Ausnahmen seien genannt:

Griechenland (Art.22 “Die Arbeit ist ein Recht”), Italien (Art.4 “Die Republik erkennt allen Staatsbürgern das Recht auf Arbeit zu”), die Niederlande (Art.19 Abs.1: “Die Schaffung von genügend Arbeitsplätzen ist Gegenstand der Sorge des Staates ...”) und Spanien (Art.35 Abs.1 “Alle Spanier haben die Pflicht zu arbeiten und das Recht auf Arbeit ...”). In der BRD findet sich das Recht auf Arbeit in einigen Länderverfassungen wieder.

(1) Leben als Substantiv ist eine Abstraktion, die so tut, als habe “leben” ein eigenes Subjekt.

(2) Ich differenziere das Unterbewußte des Geistes (mit seinen “gedachten” Gefühlen, Zentrum im Frontalhirn), der Seele (mit ihren genuinen Gefühlen, Zentrum im Hippocampus) und des Körpers (mit seinen unwillkürlichen Aktivitäten, Zentrum im Hirnstamm). Siehe auch 3.Kapitel.

(3) Der Sympathikus dynamisiert (z.B. freudige Erregung) - der Parasympathikus statifiziert (z.B. Gelassenheit).